Vom Stigma zur Sicherheitsrelevanz: MEK im neuen Licht!
von: Reza M. Rouchi
Seit Jahrzehnten gehören die Volksmudschahedin Iran (MEK) und der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI) zu den aktivsten oppositionellen Organisationen gegen das theokratische Regime der Islamischen Republik Iran. Ihre Arbeit im Exil, insbesondere in Ländern wie Frankreich und Deutschland, hat nicht nur politische, sondern zunehmend auch sicherheitspolitische Relevanz gewonnen. Die Berichte der deutschen Verfassungsschutzbehörden spiegeln über die Jahre hinweg eine deutliche Veränderung im Umgang mit diesen Gruppen wider- eine Veränderung, die weniger aus Wandlungen innerhalb der Organisation resultiert als vielmehr aus einer korrigierten politischen Einschätzung im Lichte der tatsächlichen Bedrohungen für die innere Sicherheit Europas. In den Jahren zwischen 2002 und 2009 wurde die MEK auf Geheiß des Teheraner Regimes von der Europäischen Union auf die EU-Terrorliste gesetzt. Diese Listung, wie spätere Urteile des Europäischen Gerichtshofs bestätigten, beruhte nicht auf fundierten Beweisen, sondern auf diplomatischen Zugeständnissen gegenüber dem iranischen Regime.

(Europäischer Gerichtshof (EuGH). Urteil in den Rechtssachen C‑474/07 P, MEK gegen Rat der EU, 2009). Die Folge dieser politisch motivierten Einstufung war eine überwiegend negative und einseitige Darstellung der MEK und des NWRI in den jährlichen Berichten der Verfassungsschutzämter. Sie galten als extremistisch, gewalttätig und als Störfaktor im sicherheitspolitischen Gefüge Europas.
Vier aufeinanderfolgende erfolgreiche Urteile zugunsten der Volksmudschahedin im Europäischen Gerichtshof zwangen die Europäische Union schließlich im Januar 2009 dazu, dem Gerichtsbeschluss nachzukommen und die Organisation von der EU-Terrorliste zu streichen. Damit begann sich das Bild der Organisation langsam, aber merklich zu verändern.
Fortan wurde die MEK nicht mehr als sicherheitsgefährdende Gruppierung dargestellt, sondern als politische Bewegungen, die sich klar gegen die Diktatur in Teheran positioniert. Dieser Wandel schlug sich auch in der Sprache der Verfassungsschutzberichte nieder. Hinweise auf eine extremistische Ausrichtung verschwanden. Stattdessen trat die Tatsache in den Vordergrund, dass diese Organisationen selbst Ziel massiver geheimdienstlicher Aktivitäten und Terror der Islamischen Republik Iran in Europa sind.Ein besonders markantes Beispiel für diesen Wandel ist der aktuelle Bericht des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz aus dem Jahr 2024.
(Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg. Verfassungsschutzbericht 2024. Hamburg, 2024, S. 205)
In diesem Bericht wird explizit auf die Spionagetätigkeit des iranischen Ministeriums für Nachrichtenwesen (MOIS) gegen oppositionelle Gruppen in Deutschland hingewiesen- und zwar in besonderem Maße gegen den NWRI und die MEK. Es heißt dort:
„Besonders besorgniserregend ist die seit mehreren Jahren steigende Zahl an gezielten Informationssammlungen und Einflussversuchen durch ausländische Nachrichtendienste. Am intensivsten gerät dabei das iranische Ministerium für Information und Sicherheit (MOIS) ins Visier des Hamburger Verfassungsschutzes. Die MOIS-Aktivitäten fokussieren sich vor allem auf in Deutschland lebende Mitglieder und Repräsentanten des Nationalen Widerstandsrats Iran sowie auf Einrichtungen der Volksmudschahedin. Zu den Methoden gehören systematische Observationen, Online-Überwachung, Versuche der Einflussnahme auf öffentliche Veranstaltungen und Medienpräsenz sowie direkte Einschüchterungsversuche gegenüber Aktivisten*innen. Dieser hohe Grad an zielgerichteter Spionage und Destabilisierungsmaßnahmen hebt die MEK und den NWRI deutlich von anderen Oppositionsgruppen ab.“
Zunehmende Fakten über die Sicherheitsbedrohungen durch den iranischen Geheimdienst gegen Mitglieder und Unterstützer der MEK und des NWRI bestätigen die Einschätzung des Hamburger Verfassungsschutzes.
Die Formulierung der Hamburger Behörde, dass die MEK und der NWRI aus Sicht des iranischen Regimes eine strategische Bedrohung darstellen- eine Einschätzung, die zunehmend auch von deutschen Behörden geteilt wird. Dass kein anderer Verband im Exil in ähnlichem Ausmaß Ziel geheimdienstlicher Operationen wird, unterstreicht die zentrale Bedeutung dieser Organisationen im Widerstand gegen das iranische Regime.
Die Anerkennung dieser Tatsache markiert eine sicherheitspolitische und moralische Wende. Während frühere Berichte die MEK häufig im Ton staatlicher Skepsis beschrieben, rückt nunmehr deren Schutz in den Fokus.
Der Schutz vor Bedrohung durch einen ausländischen Geheimdienst innerhalb des Bundesgebiets ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik, sondern auch ein Ausdruck von Souveränität und demokratischer Verantwortung. Die Erkenntnis, dass die Islamische Republik Iran ihre Repressionen auch über ihre Grenzen hinaus exportiert und insbesondere in Deutschland versucht, Kritiker einzuschüchtern oder gar zu eliminieren, verlangt nach klaren politischen Konsequenzen.
Vor diesem Hintergrund ist auch die zunehmende Distanzierung deutscher Institutionen von der früheren pauschalen Diskreditierung der MEK zu verstehen. Sie ist Ausdruck einer realpolitischen Korrektur, die auf Erfahrungen mit iranischem Staatsterrorismus und der gescheiterten Beschwichtigungspolitik gegenüber Teheran basiert. Die MEK und der NWRI repräsentieren heute, ungeachtet ideologischer Differenzen, eine der wenigen strukturierten, durchorganisierten und geopolitisch vernetzten Oppositionskräfte mit konkretem politischem Programm. Dass sie trotz jahrzehntelanger Diffamierung und Verfolgung ihre politische Struktur erhalten und weiterentwickeln konnten, ist ein Beweis ihrer Ernsthaftigkeit und Reichweite.
In einer Zeit, in der das iranische Regime seine außenpolitischen und geheimdienstlichen Aktivitäten in Europa intensiviert, können demokratische Gesellschaften es sich nicht leisten, gegenüber den Verfolgten und Gegnern dieses Regimes neutral oder gar skeptisch zu bleiben. Der Wandel in den Verfassungsschutzberichten Deutschlands- von der politischen Marginalisierung hin zur sicherheitspolitischen Anerkennung-ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dieser Prozess sollte fortgesetzt und vertieft werden: durch rechtliche Klarheit, politischen Schutz für im Exil lebende Oppositionelle und eine sicherheitspolitisch informierte Öffentlichkeit.
Reza M. Rouchi
Gesellschaft von Deutsch-Iranern
13. Juli 2025 @ 23:00
Sie haben eine äußerst aufschlussreiche und gründlich recherchierte Arbeit vorgelegt. Ihr Artikel ist nicht nur informativ, sondern regt auch zum Nachdenken an . Herzlichen Dank für diesen wertvollen Beitrag zur Aufklärung!