Menschenrechte zwischen Prinzip und politischer Realität: Das Beispiel Iran und die Mitverantwortung der internationalen Gemeinschaft!
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 (1) sowie die beiden Internationalen Pakte von 1966 (2) bilden das normative Fundament der internationalen Rechtsordnung. Sie verpflichten die Vertragsstaaten, grundlegende Rechte wie Leben, Freiheit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu respektieren, zu schützen und zu gewährleisten. Diese Rechte sind universell, unteilbar und unveräußerlich. In der politischen Praxis jedoch verkommen diese Prinzipien oft zu bloßen Lippenbekenntnissen. Unter dem Druck wirtschaftlicher Interessen, geopolitischer Allianzen und strategischer Abhängigkeiten werden selbst gravierende und systematische Menschenrechtsverletzungen ignoriert oder relativiert.
Diese Diskrepanz zeigt sich besonders deutlich im Umgang der internationalen Gemeinschaft mit der Islamischen Republik Iran. Seit 1979 herrscht dort ein repressives System, das fundamentale Rechte planmäßig und mit äußerster Härte verletzt.

Reza M. Rouchi, von der Gesellschaft von Deutsch-Iranern - GDI
Die Justiz dient als politisches Instrument zur Ausschaltung jeglicher Opposition, während Sicherheitsorgane in einem Klima der völligen Straflosigkeit agieren. Politische Gefangene werden in unfairen Verfahren, oft unter Folter und ohne Einhaltung elementarer rechtsstaatlicher Garantien, zu langen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt. Die anhaltend hohe Zahl von Hinrichtungen – darunter eine große Zahl politisch motivierter – stellt nach Auffassung vieler Völkerrechtler ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar (3) und wurde auch im jüngsten Bericht des UN-Sonderberichterstatters für die Menschenrechtslage in der Islamischen Republik Iran, Prof. Javaid Rehman, ausführlich dokumentiert.
Erst im vergangenen Monat wurden die politischen Gefangenen Mehdi Hassani und Behrooz Ehsani nach jahrelanger Inhaftierung hingerichtet. Gegenwärtig droht fünf weiteren Mitgliedern der Organisation der Volksmojahedin Iran (MEK) die sofortige Vollstreckung ihrer Todesurteile. Diese Einzelfälle sind lediglich Symptome einer strukturell verankerten Politik der Repression, die darauf abzielt, jegliche Form des politischen Widerstands im Keim zu ersticken.
Trotz umfangreicher und gut dokumentierter Berichte von UN-Sonderberichterstattern,internationalen Menschenrechtsorganisationen und der iranischen Exilopposition (NWRI)bleibt die Reaktion der Staatengemeinschaft überwiegend symbolischer Natur. Besonders die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben es in den vergangenen Jahren vermieden, substanzielle und in der Sache effektive Maßnahmen gegen die Verantwortlichen zu ergreifen – aus Rücksicht auf die Fortführung der Atomverhandlungen mit Teheran. Dieses Schweigen ist nicht neutral, es stellt eine Form der faktischen Mitverantwortung dar. Nach den Grundsätzen des Völkerrechts kann das bewusste Unterlassen von Maßnahmen trotz Kenntnis schwerer Verbrechen als Beihilfe durch Unterlassung gewertet werden (4).
Darüber hinaus sendet diese Passivität ein fatales Signal an das Regime: Wer trotz systematischer Unterdrückung und massiver Menschenrechtsverletzungen als legitimer Gesprächs- und Vertragspartner behandelt wird, darf davon ausgehen, dass der politische Preis für seine Verbrechen minimal bleibt. Diese Kalkulation ermutigt die Täter, ihre Politik fortzusetzen und sogar zu verschärfen. Das Regime reagiert auf internationale Kritik in der Regel mit dem Vorwurf der „Einmischung in innere Angelegenheiten“ und nutzt diesen als rhetorischen Schutzschild, um jede externe Forderung nach Rechenschaftspflicht abzuwehren. Diejenigen Staaten, die von wirtschaftlichen oder energiepolitischen Beziehungen zu Teheran profitieren, nehmen diese Argumentation oft stillschweigend hin – ein Verhalten, das moralisch verwerflich und rechtlich bedenklich ist.
Wenn Menschenrechte mehr sein sollen als ein dekoratives Element in politischen Erklärungen, müssen sie verbindlich in außenpolitische Entscheidungsprozesse integriert werden. Das erfordert, dass wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen an überprüfbare Fortschritte im Bereich der Menschenrechte geknüpft werden. Außerdem müssen internationale Mechanismen der Rechenschaftspflicht konsequent genutzt werden, um die Verantwortlichen für Folter, außergerichtliche Hinrichtungen und andere schwere Verstöße vor Gericht zu bringen.
Das anhaltende Schweigen angesichts der Verbrechen in Iran ist nicht nur eine moralische Bankrotterklärung, sondern gefährdet auch die Glaubwürdigkeit der internationalen Rechtsordnung. Wer in Kenntnis dieser Verbrechen untätig bleibt, trägt Mitverantwortung für ihre Fortsetzung. Eine prinzipiengeleitete Politik, die die Menschenrechte ins Zentrum rückt, ist daher keine naive Idealvorstellung, sondern eine völkerrechtliche und politische Notwendigkeit – im Interesse der Opfer, der Rechtsstaatlichkeit und der universellen Menschenwürde.
Die Zeit der bloßen Erklärungen ist vorbei, gefordert sind konkrete, verbindliche und wirksame Maßnahmen.
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Quellen und Anmerkungen:
(1) UN-Generalversammlung, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Resolution 217 A (III), 10. Dezember 1948.
(2) Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) und Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR), beide vom 16. Dezember 1966.
(3) Vgl. Art. 7, Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, 17. Juli 1998,UN-Generalversammlung, Bericht des Sonderberichterstatters über die Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran, Javaid Rehman, A/78/347, 21. September 2023.
(4) Vgl. Völkerrechtliche Grundsätze zur Staatenverantwortlichkeit, Art. 16–17, International Law Commission, 2001.