Die Zukunft Irans: Ist Wandel von innen möglich?
Ein Gespräch mit der Vertreterin des Nationalen Widerstandsrats Iran in Deutschland
Nach dem Waffenstillstand zwischen dem iranischen Regime und Israel haben sich die regionalen Spannungen sowie die innenpolitische Repression in Iran deutlich verschärft. Die „Gesellschaft von Deutsch-Iranern“ (GDI) hat mit Dr. Masumeh Bolurchi, der Repräsentantin des Nationalen Widerstandsrats Iran (NWRI) in Deutschland, über die Dimensionen der aktuellen Krise, die Lage des Regimes und mögliche Lösungen für die Zukunft Irans gesprochen.
Frage: Gibt es überhaupt eine realistische Lösung für die chronische Krise in Iran – insbesondere nach dem zwölftägigen Krieg zwischen Iran und Israel?
Masumeh Bolurchi:

Ja – ohne jeden Zweifel. Die Krise in Iran ist entgegen der Meinung mancher keineswegs unlösbar. Sie kann jedoch nur durch die Überwindung der Diktatur der religiösen Führung beendet werden. Das Regime befindet sich in einer strukturellen Sackgasse, die weder durch Verhandlungen noch durch einen äußeren Krieg gelöst werden kann. Vier Jahrzehnte gescheiterte Verhandlungen und Beschwichtigung haben das Leben dieser Diktatur lediglich verlängert.
Die tatsächliche Lösung ist ein demokratischer Wandel von innen – getragen vom organisierten Widerstand. Der Nationale Widerstandsrat Iran sowie der Zehn-Punkte-Plan von Frau Maryam Rajavi für die Zukunft des Landes bieten einen realistischen Fahrplan, der international breite Anerkennung gefunden hat und den Weg aus der Krise weisen kann.
Viele Analysten behaupten, dass die iranische Opposition zersplittert und wirkungslos sei. Gibt es tatsächlich eine geschlossene Alternative?
Bolurchi: Die Vorstellung, dass die iranische Opposition zersplittert sei, ist weitgehend das Ergebnis gezielter Propaganda regimenaher Netzwerke. In Wirklichkeit sind im Inneren des Landes alle Kräfte, die einen Sturz des Regimes anstreben, in diesem Ziel geeint. Der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI) und seine Hauptkraft, die Organisation der Volksmojahedin Iran (MEK), stellen die am besten organisierte und stabilste Alternative dar. Das ist nicht nur eine politische Vision, sondern eine praktisch funktionierende Struktur, die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Sie verfügen über ein breites Widerstandsnetzwerk in allen 31 Provinzen Irans. Ihr Exilzentrum in Albanien – Ashraf 3 – ist ein professionell aufgebautes Hauptquartier, in dem tausende erfahrene Mitglieder tätig sind.
Wie ist die aktuelle Lage des iranischen Regimes innenpolitisch und regional einzuschätzen? Ist es noch in der Lage, Repression auszuüben oder Krisen zu exportieren?
Bolurchi: Das iranische Regime befindet sich aktuell in seiner schwächsten Phasen seit vier Jahrzehnten. Die Niederlage im jüngsten Krieg hat seine militärische Infrastruktur schwer beschädigt und seine Abschreckungskraft deutlich geschwächt. Auch seine Stellvertretermilizen wie Hisbollah sind außer gefecht gesetzt, die Huthis oder irakische Schiitenmilizen agieren inzwischen nur noch defensiv.
Im Inneren verschärfen sich Wirtschaftskrise, Armut und der gesellschaftliche Vertrauensverlust, selbst unter traditionellen Stützen wie dem Basar, dem Klerus oder Teilen der Revolutionsgarden. Um diese Schwäche zu verbergen, setzt das Regime verstärkt auf brutale Repression: Kontrollposten in Städten und auf Straßen sollen Proteste verhindern. In nur zwei Wochen wurden fast 900 Menschen verhaftet und erste Hinrichtungen vollzogen.
Ziel dieser Maßnahmen ist es, jeden Ansatz gesellschaftlichen Widerstands im Keim zu ersticken. Zugleich dürfte das Regime versuchen, seine Stellvertreternetzwerke neu aufzubauen – denn der Export von Instabilität und Extremismus ist ein Kern seiner Machterhaltung.
Der einzige Ausweg aus diesem Kreislauf von Unterdrückung, Terror und Fundamentalismus ist der Sturz des Regimes und seine Ersetzung durch eine demokratisch legitimierte Regierung – das wäre der Schlüssel zu Freiheit für das iranische Volk und zu Stabilität in der gesamten Region.
Wie sollte sich die Politik des Westens ändern? Gibt es noch einen Weg über Verhandlungen oder ein neues Atomabkommen?
Bolurchi: Die Erfahrung der letzten 40 Jahre hat gezeigt: Weder Beschwichtigung noch militärische Drohungen haben Erfolg gehabt. Verhandlungen mit einem solchen Regime verschaffen ihm lediglich neue Gelegenheiten, Zeit zu gewinnen und seine Unterdrückungspolitik fortzusetzen. Der Westen sollte nicht länger mit einem zum Scheitern verurteilten Regime kooperieren, sondern die demokratische und organisierte Opposition unterstützen. Der Nationale Widerstandsrat Iran stellt mit seinem gesellschaftlichen Rückhalt und internationaler Anerkennung eine glaubwürdige Alternative dar. Über 4000 Abgeordnete weltweit, zahlreiche ehemalige Staats- und Regierungschefs sowie Nobelpreisträger unterstützen den Zehn-Punkte-Plan von Maryam Rajavi für einen freien und demokratischen Iran. Jetzt ist der Zeitpunkt für Klarheit und eine entschlossene politische Haltung gekommen.
Welche Folgen hat das neue Gesetz zur Aussetzung der Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergie-Organisation, das kürzlich vom iranischen Parlament verabschiedet und vom Mullah-Präsidenten Pezeshkian unterzeichnet wurde? Bedeutet dies einen Freifahrtschein für das Atomwaffenprogramm des Regimes?
Bolurchi: Die Aussetzung der Zusammenarbeit mit der IAEO ist ein äußerst alarmierender Schritt, der die Gefahr einer beschleunigten Entwicklung von Atomwaffen durch das iranische Regime massiv erhöht. Damit wird faktisch der letzte internationale Kontrollmechanismus ausgeschaltet – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die IAEO selbst in ihrem letzten Bericht einräumt, sie sei nicht mehr in der Lage, die friedliche Natur des iranischen Atomprogramms zu verifizieren.
Dies schafft ideale Bedingungen dafür, dass geheime Anlagen wie die kürzlich vom Nationalen Widerstandsrat enthüllten Projekte „Kavir“ und „Eyvanki“ unbeaufsichtigt zur Waffenproduktion voranschreiten.
Angesichts dieser Entwicklungen wäre weiteres Schweigen und Zögern der europäischen Staaten ein strategischer Fehler. Jetzt ist es dringend geboten, den sogenannten „Snapback“-Mechanismus zu aktivieren und die UN-Sanktionen wieder vollständig in Kraft zu setzen, um das Regime unter Druck zu setzen. Jede weitere Verzögerung erhöht nicht nur das Risiko, dass das Regime in den Besitz von Atomwaffen gelangt, sondern bedroht auch die Sicherheit der Region und der gesamten Welt in höchstem Maße.