Iran 1988: Verbrechen gegen die Menschlichkeit!
1988 erhielt eine trauernde Mutter in Teheran eine Plastiktüte mit den blutverschmierten Kleidern ihres Sohnes. Keine Erklärung. Kein Grab. Keine Leiche. Ihr Sohn war einer von Tausenden, die vom iranischen Regime heimlich hingerichtet wurden – ein Massenmord, der als eine der grausamsten politischen Säuberungen des späten 20. Jahrhunderts gilt. Heute ist es weltweit als das Massaker von 1988 bekannt.
Ein koordiniertes Verbrechen: Ursprünge des Massakers

Im Juli 1988 stimmte der damalige Oberste Führer des Regimes, Ruhollah Khomeini, überraschend einem Waffenstillstand mit dem Irak zu. Gedemütigt durch diese Entscheidung – die er als „ den Giftkelch trinken “ bezeichnete – richtete er seine Wut nach innen. Politische Gefangene, insbesondere solche, die mit den Volksmudschahedin des Iran (PMOI/MEK) verbunden waren, wurden zur neuen Zielscheibe.
Khomeini erließ eine Fatwa, die die Hinrichtung aller inhaftierten PMOI-Mitglieder anordnete, die ihrer Sache treu blieben. Im ganzen Land wurden Sondertribunale – die berüchtigten „ Todeskommissionen “ – eingerichtet, die Gefangene innerhalb weniger Minuten verhörten und über ihr Schicksal entschieden.
Einblicke in die Todeskommissionen
Diese außergerichtlichen Gremien bestanden aus Vertretern der Justiz, des Geheimdienstes und der Religionsgemeinschaften. Zu den berüchtigtsten gehörten:
- Hossein-Ali Nayyeri– Religionsrichter und Leiter der Teheraner Kommission
- Ebrahim Raisi– Damals stellvertretender Staatsanwalt in Teheran, später Chef der Justiz und schließlich Präsident des Regimes aufgrund seiner Vorstrafen im Dienste des Regimes
- Mostafa Pourmohammadi– Vertreter des Geheimdienstes, der die Morde später als Erfüllung eines „göttlichen Befehls“ rechtfertigte.
Pourmohammadi erklärte später: „Wir haben Gottes Gebot bezüglich der MEK ausgeführt. Wir haben Frieden mit unserem Gewissen.“
Diese Beamten gingen mit erschreckender Effizienz vor und stellten den Gefangenen nur eine einzige Frage: „ Unterstützen Sie die Mudschahedin noch?“ Ein „Ja“ oder sogar Schweigen bedeutete die sofortige Hinrichtung.
Eine landesweite Säuberung
Das Massaker war gewaltig und systematisch. Laut Berichten von Oppositionsgruppen, die den Vereinten Nationen vorgelegt wurden, heißt es:
- Zwischen Ende Juli und September 1988 wurden über 30.000 politische Gefangene hingerichtet.
- In nur drei Tagen (14.–16. August) wurden 860 Leichen aus dem Evin-Gefängnis in das Behesht-e Zahra-Gefängnis überführt.
- Am 6. August wurden 200 MEK-Gefangene im Hungerstreik in der Haupthalle von Evin hingerichtet.
- Ganze Gefängnisse – darunter die in Gohardasht, Mashhad, Kermanshah, Shiraz und Bandar Anzali – wurden von politischen Gefangenen geräumt.
Ein interner Bericht beschrieb, wie sechs Kräne und drei Gabelstapler rund um die Uhr im Einsatz waren, um in Gohardasht Hinrichtungen durchzuführen. Jeder Kran führte mehrere Hinrichtungen gleichzeitig durch.
Wer waren die Opfer?
Bei den Opfern handelte es sich nicht um Kombattanten, sondern um politische Gefangene, von denen viele ihre Strafe bereits verbüßt hatten. Zu ihnen gehörten:
- Jugendliche und Studenten
- Ältere Eltern und Großeltern
- Schwangere und stillende Mütter
- Ganze Familien stehen in Verbindung mit MEK-Anhängern
Laut Dr. Kazem Rajavi richtete das Regime häufig Menschen „ohne formelle Anklage oder Gerichtsverfahren hin … nur weil sie andere politische Ansichten hatten.“
Gefängnisbesuche wurden abrupt ausgesetzt. Familien mussten vor den Toren warten oder wurden aufgefordert, nur die Habseligkeiten ihrer Angehörigen abzuholen.
Folter, Verschleierung und Vernichtung von Beweismitteln
Berichte von Überlebenden, Whistleblowern und Widerstandskämpfern enthüllen erschütternde Details der Folter und Vertuschung:
- An manchen Orten wurden chemische Gase zur Hinrichtung von Gefangenen eingesetzt
- Verbrennung von Leichen, um Beweise für Schläge und sexuelle Übergriffe zu verwischen
- Massengräber, oft flach und unmarkiert, in mindestens 21 Städten
- Kinder, die im Gefängnis geboren wurden, nachdem ihre Mütter während der Schwangerschaft gefoltert wurden
Ein Zeuge sagte in Stockholm aus: „Sie haben uns ausgepeitscht, bis unsere Haut abfiel … einige Mädchen wurden vor der Hinrichtung vergewaltigt … wir warteten alle nur auf den Tod.“
Internationale Anerkennung und rechtliche Gestaltung
Der UN-Sonderberichterstatter, Prof. Reynaldo Galindo Pohl, erhielt 1989 umfangreiche Unterlagen, darunter über 1.100 Namen bestätigter Opfer. In seinem Bericht heißt es:
„Die meisten Opfer verbüßten bereits ihre Strafe oder hatten sie bereits abgesessen. Die Hinrichtungen wurden ohne ordnungsgemäßes Verfahren oder Rechtsbeistand durchgeführt.“
In einem wegweisenden Bericht aus dem Jahr 2024 kam Javaid Rehman, der damalige UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran, zu dem Schluss, dass das Massaker von 1988 an Tausenden politischen Gefangenen – hauptsächlich Angehörigen der Organisation der Volksmudschahedin des Iran (PMOI) – sowohl Völkermord als auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellte. Der Bericht forderte die Einrichtung eines internationalen Mechanismus zur strafrechtlichen Verfolgung der Verantwortlichen. Dies war die bislang schärfste juristische Verurteilung einer der schwersten Gräueltaten des iranischen Regimes durch einen UN-Experten.
Nach internationalem Recht gilt das Massaker von 1988 als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, weil:
- Systematische Ausrottung einer politischen Gruppe
- Mangelndes Rechtsverfahren und summarische Hinrichtungen
- Weit verbreitete Anwendung von Folter und sexueller Gewalt
Das Massaker wurde in zahlreichen Resolutionen der UN-Generalversammlung, Abstimmungen des Europäischen Parlaments und Berichten von Amnesty International verurteilt.
Die Gerechtigkeitsbewegung: Ein globaler Aufruf
Seit 1988 hat eine wachsende Koalition aus Familien, Überlebenden und iranischen Oppositionsgruppen – insbesondere dem Nationalen Widerstandsrat Iran (NWRI) – die Sache am Leben erhalten. Zu ihren Aktionen gehören:
- Übermittlung von Beweismitteln und Täternamen an die UNO und den Internationalen Strafgerichtshof
- Gastgeber von Volkstribunalen in Den Haag, Paris, Stockholm, London und anderswo
- Organisation globaler Hungerstreiks in 17 Ländern
- Dokumentation von über 3.200 Namen von Opfern und Identifizierung von 31 Massengräbern
Auf der 45. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission wurde das Massaker erstmals offiziell thematisiert. Zeugenaussagen von Überlebenden aus ganz Europa und Nordamerika wurden vorgelegt und von Hunderten Parlamentariern und Rechtsexperten unterstützt.
Warum das immer noch wichtig ist
Viele der Urheber des Massakers sind bis heute an der Macht. Mostafa Pourmohammadi, einst Mitglied der Todeskommission, war von 2013 bis 2017 Justizminister. Ali Khamenei, der damalige Präsident und heutige Oberste Führer, hat die Täter stets geschützt und die Morde geleugnet.
Ein Überlebender sagte während eines Tribunals:
„Dieselben Leute, die uns gefoltert haben, regieren heute unser Land. Gerechtigkeit ist keine Rache – sie ist eine Warnung an die Geschichte.“
Über die Gerechtigkeit für vergangene Verbrechen hinaus spricht die Bewegung über die Zukunft des Iran – eine Zukunft, die auf Verantwortlichkeit, Transparenz und Respekt für die Menschenrechte aufgebaut sein muss.
Das Massaker von 1988 war kein chaotisches Nebenprodukt des Krieges – es war ein kalkulierter Vernichtungsfeldzug. Es löschte Tausende Stimmen aus, konnte aber den Willen zur Freiheit nicht zum Schweigen bringen. Der Bewegung für Gerechtigkeit geht es nicht nur um das Gedenken an die Toten; es geht darum, die Lebenden zu verteidigen und eine neue Zukunft für den Iran zu gestalten.
Eine Mutter, die vier Kinder verloren hat, sagte vor einem Tribunal in Paris:
„Zwischen uns und ihnen liegt ein Meer aus Blut. Wir werden nie vergessen. Und wir werden nie aufhören.“